Baustelle Bauhandwerk
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Die Kalkulation am Bau ist durch die Materialknappheit aus den Fugen. Firmen müssen sich mit Preisgleitklauseln und anderen Absicherungen behelfen. Antworten auf den Mangel

Um 83 Prozent haben sich laut Statistischem Bundesamt die Preise für Konstruktionsvollholz im Mai im Vergleich zum Vorjahresmonat verteuert. Auch andere Materialien wie Betonstahl in Stäben oder Dämmplatten sind knapp und verteuerten sich massiv. Das Bau- und Ausbauhandwerk spürt die Folgen bis hin zur Kurzarbeit wegen Materialengpässen.

Rechtlich sind die Möglichkeiten, darauf zu reagieren, vor allem bei bestehenden Verträgen begrenzt, wie der Hamburger Rechtsexperte Bastian Voll im Kammer-Magazin NordHandwerk deutlich macht (Link siehe unten). So besteht regelmäßig kein Anspruch auf Preisanpassung, wenn es im Vertrag nicht ausdrücklich anders geregelt ist. Das deutsche Werkvertragsrecht sieht hier keinen Mechanismus vor. Auch ein freies Kündigungsrecht des Auftragnehmers gibt es bei einem Werkvertrag nicht.

Eine automatische Verlängerung der Vertragsfristen gegenüber dem Auftraggeber ist ebenfalls nicht vorgesehen. Wenn ein Lieferant nur mit erheblicher Verzögerung liefert, darf ein Auftragnehmer nicht einfach abwarten. Er ist verpflichtet, sich anderweitig mit den benötigten Baustoffen einzudecken, auch wenn dies nur zu höheren Preisen möglich ist. Nur dann, wenn es dem Auftraggeber trotz aller Bemühungen nicht gelingt, die Materialien rechtzeitig zu beschaffen, trifft ihn kein Verschulden an der Nichteinhaltung der Vertragstermine. Hier gilt es, die eigenen Bemühungen sorgfältig zu dokumentieren, sodass die Unmöglichkeit der Beschaffung in einem etwaigen späteren Streitfall auch nachgewiesen werden kann. Außerdem muss die Behinderung der Leistungserbringung dem Auftraggeber unverzüglich schriftlich angezeigt werden.

Bei bestehenden Verträgen sollten Handwerksunternehmer generell das Gespräch mit dem Auftraggeber suchen und um Verständnis werben. So kann im Idealfall eine für beide Seiten akzeptable einvernehmliche Lösung gefunden werden, etwa der Wechsel von Holz zu günstigeren Betonteilen. Leistungsänderungswünsche oder -anordnungen seitens des Auftraggebers bieten Anlass zu Nachverhandlungen über Preise und Fristen.

Bei neuen Verträgen gibt es verschiedene Wege, sich abzusichern: So sollte ein potenzieller Auftraggeber von Anfang an auf die aktuelle Ausnahmesituation am Markt hingewiesen werden. In den Vertrag sollte eine Vereinbarung über eine Preisanpassung aufgenommen werden. In einer solchen Preisgleitklausel kann fixiert werden, dass die Preise neu zu verhandeln sind, wenn sich die Einkaufspreise um mehr als einen festgelegten Prozentsatz verändern. Alternativ kann auch eine automatische Anpassung der Preise vereinbart werden.

Betriebe sollten ihre Angebote zeitlich befristen und sich parallel Materialpreise von ihren Lieferanten verbindlich zusichern lassen, lautet ein Tipp des Deutschen Handwerksblatts. Noch mehr Spielraum verschaffen sich Betriebe, indem sie ein Angebot als „freibleibend", also als nicht verbindlich, kennzeichnen.  Dann ist bei explodierenden Preisen vor finaler Vertragsbestätigung sogar ein Rückzieher folgenlos möglich.

Stoffpreisgleitklauseln sind in Hamburg aufgrund der Lieferengpässe seit kurzem auch bei öffentlichen Vergaben unter exakt definierten Regeln möglich, aber für jeden Einzelfall zu prüfen. Das teilt die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen in einem Rundschreiben mit.  Die Handwerkskammer hatte sich dafür eingesetzt. Ausgenommen sind bestehende Verträge. Bei Fragen zu diesem Thema können sich Betriebe an die Auftragsberatungsstelle Hamburg wenden, Kontakt: Andreas Rönnau, Tel.: 35905-326, E-Mail: andreas.roennau@hwk-hamburg.de. Rund um vertragsrechtliche Aspekte im Privatsektor steht die Rechtsberatung der Handwerkskammer zur Verfügung.

Noch ein praktischer Tipp: Es kann einen Versuch wert sein, Lieferanten von Baumaterialien in der Kooperationsdatenbank des Enterprise Europe Network (EEN) zu suchen, wie das NordHandwerk berichtet (Link siehe unten). Ein anonymisiertes Gesuch dort ist kostenfrei.

Weitere Informationen:
Rechtliche Fragen rund um den Baustoffmangel (NordHandwerk)
NordHandwerk-Interview mit Michael Seitz, Bauinnung Hamburg, zu Preisgleitklauseln
NordHandwerk-Bericht zur EEN-Kooperationsdatenbank
Beratung zu Aufträgen von Behörden und öffentlichen Auftraggebern
Rechtsberatung der Handwerkskammer Hamburg